Wanderritte in unbekanntem Gelände sind nur mit Hilfe von Karte und Kompass möglich. Wer den Umgang mit diesen beiden Hilfsmitteln beherrscht, für den wird die Erkundung fremder Landschaften zu einem aufregenden und faszinierenden Erlebnis. Robert Claus erklärt in diesem Artikel, wie man mit Karte und Kompass umgeht und gibt praktische Tips und Anregungen zum üben.
Text: Robert Claus, www.robert-claus.de / Fotos: Galyna Andrushko – Fotolia.com, Robert Claus
Ist der Wanderritt in der Planung, erwarten wir mit Ungeduld das Eintreffen der Karten, um anschließend die Strecke am heimischen Wohnzimmertisch auszuarbeiten. Geht es dann Wochen oder Monate später ins Gelände, sieht zwar im ersten Moment alles ganz anders aus, aber mit Übung und intensivem Studium im Vorfeld wird alles deutlich und überschaubar. Dann erwarten wir an der nächsten Biegung den Wasserhochbehälter, taucht plötzlich die Hochspannungsleitung auf und auch der eingezeichnete Teich oder Brunnen am Wegesrand ist Beweis für den richtigen Weg. Die Karte hilft bei der Suche nach dem richtigen Weg, und der Kompass weist uns die Richtung.
Die Karte
Für uns Wanderreiter kommen nur zwei Kartenarten in Frage: Die topografische Karte 1:25.000 (TK 25) und 1:50.000 (TK 50). Darüber hinaus bieten fast alle Bundesländer seit einigen Jahren auch Freitzeitkarten im Maßstab 1:50.000 an, die touristische Informationen wie Aussichtspunkte, Naherholungsgebiete, Freizeitzentren, Hotels oder Pensionen speziell auch für Reiter und Pferde beinhalten. Am Rande bemerkt: Dies sind erste Anzeichen, daß Wanderreiten als wirtschaftlicher und touristischer Faktor immer mehr Anerkennung findet.
Die TK werden von den Landesvermessungsämtern herausgegeben und sind durchnummeriert. Vier TK 25 bilden ein Kartenblatt TK 50. Die Landschaften sind auf der Karte verkleinert dargestellt. Das Verkleinerungsverhältnis zwischen Wirklichkeit und Karte ist der „Kartenmaßstab“. Das bedeutet für die TK 25: Ein Zentimeter auf der Karte sind 250 Meter im Gelände und für die TK 50: Ein Zentimeter auf der Karte sind 500 Meter in der Natur.
Die Unterschiede: Beim Übergang von der TK 25 auf die TK 50 kommt es zur Verkleinerung des Maßstabes und zur Vereinfachung der Symbole. Ein kurviger Weg wird gerade, mehrere Gebäude werden als Block dargestellt und einfache Fußpfade sind nicht mehr verzeichnet.
Dennoch bietet die TK 50 erhebliche Vorteile. Es gibt farbige Ausgaben mit allen Fernwanderwegen, das heißt, die verschiedenen Wanderwege sind mit verschiedenen Farben und Symbolen versehen, außerdem wird über eine Entfernung von 25 Kilometer nur eine Karte benötigt. Im Gegensatz dazu müssen für die gleiche Entfernung unter Umständen vier TK 25 erworben werden, was nicht nur teurer ist, sondern auch aufwendiger in der Handhabung sowie beim Transport auf dem Pferd.
In der Legende sind alle Wanderwege beschrieben, wie sie in der Natur auch tatsächlich gekennzeichnet sind, sowie die genaue Streckenführung. Beispiel: Rotes Dreieck = Fernwanderweg Bodensee – Eifel – Lüneburger Heide – Nordsee.
Vorsicht: Wanderwege dürfen nicht in allen Bundesländern von Reitern benutzt werden. Aus diesem Grund muß sich jeder Reiter über die gesetzlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes informieren! Die Reitorganisationen VFD und FN, die zuständigen Ministerien der Länder sowie Fachzeitschriften, wie das Wanderreiter-Magazin oder „freizeit im Sattel“ oder die Organe der Landesverbände verfügen über entsprechende Informationen.
Welche Karten letztendlich verwendet werden, hängt von dem Stand der Ausbildung ab. Nach unseren Erfahrungen ist es für einen Anfänger durchaus sinnvoll, mit der TK 25 im heimischen Gelände zu üben. Wurde eine gewisse Sicherheit im Umgang mit der Karte erworben, sollte auf die TK 50 umgestiegen werden.
Kartenzeichen
Alle wichtigen Angaben zur Orientierung im Gelände können wir aus der Karte lesen. Gebäude, Bodenformen, Gewässer, Verkehrswege, künstlich geschaffene Bauten und andere Besonderheiten wie Sperrgebiete oder Steinbrüche sind mit Symbolen gekennzeichnet und farblich gestaltet.
Verkehrswege
Alle Verkehrswege sind schwarz dargestellt. Wanderwege sind zur Unterscheidung mit Farbe überzogen. Autobahnen und vierspurige Bundesstraßen sind an den drei parallel eingezeichneten Linien zu erkennen, wobei die äußeren Linien fetter gedruckt sind. Solche Straßen dürfen nur an den eingezeichneten Brücken oder Unterführungen überquert werden. Das gleiche gilt auch für Eisenbahnlinien, hier ist von einer Überquerung in unübersichtlichem Gelände unbedingt abzuraten.
Auf unseren Ritten haben wir es immer wieder erlebt, dass eingezeichnete Wege zugewachsen, durch Windbruch nicht passierbar oder im Zuge einer Neuordnung im Wald neu angelegt worden waren. Auch auf die Wandermarkierungen sollte man sich nicht verlassen. Je einsamer die Gegend ist, umso schlechter ist in der Regel auch markiert. Oft wurden Bäume, an denen die Zeichen angebracht waren, auch gefällt.
Gewässer
Gewässer sind immer blau gekennzeichnet. Ebenso die mit Wasser verbundenen Einrichtungen, wie Frei- und Hallenbäder, Brunnen, Kläranlagen, Quellen, Pumpwerke oder Wasserbehälter.
Vegetation
Waldflächen sind grün dargestellt und
landwirtschaftliche Nutzflächen weiß. Einzelne Bäume sind schwarz und
die Art des Waldes mit einem grünen Tannen- oder Laubbaum
gekennzeichnet.
Ortschaften
Auf allen TK sind Städte, Ortschaften
und Gebäude schwarz. Die Schriftgröße des Ortsnamens richtet sich nach
der Einwohnerzahl, die auch aus der Kartenlegende abzulesen ist. Die
Schriftzüge der Ortsbezeichnungen verlaufen immer genau von West nach
Ost und eignen sich so auch zum Einnorden der Karte.
Weitere Objekte
Funktürme, Denkmäler, Wegkreuze,
kleine Kapellen, Grenzen, Sportstätten, Friedhöfe, Kirchen, Burgen,
Ruinen und Aussichtspunkte sind weitere Objekte, an denen man sich
hervorragend orientieren kann. Alle gebräuchlichen Symbole sollte der
Wanderreiter kennen, denn kreuzt zum Beispiel eine Hochspannungsleitung
den Weg, ist eine Standortbestimmung kein Problem mehr. Hat man sich die
Symbole eingeprägt, gibt es außerdem kein umständliches Suchen auf der
Kartenlegende.
Höhenlinien
Eine besondere Bedeutung haben die
Höhenlinien für den Wanderreiter. Sie spielen bei der Berechnung der
Reitzeit eine wesentliche Rolle. Wenn wir auf die Karte blicken, sieht
alles flach und einfach aus. Aber spätestens, wenn man mit seinem Pferd
auf die Höhen des Schwarzwaldes reitet oder den Rheingraben überwinden
muß, wird die persönliche Zeitberechnung in Frage gestellt. Der Abstieg
um 200 Meter und Wiederaufstieg auf eine Höhe von 250 Meter kann unter
Umständen 2 bis 3 Stunden in Anspruch nehmen, auch wenn die gemessene
Entfernung nur zwei Kilometer beträgt.
Was sind nun Höhenlinien? Man muß sich vorstellen, daß der Berg oder die Höhe quer in Scheiben geschnitten wurde, die Kanten der Schnittflächen bilden die Höhenlinien. Der Abstand der Linien richtet sich nach der Steilheit des Geländes und dem Maßstab der Karte (Siehe Zeichnung). Bei der TK 50 beträgt der Abstand in der Regel 10 Meter. Je enger die Linien beieinanderliegen, desto steiler ist der Hang. Weit auseinanderliegende Höhenlinien, die nicht geschlossen sind, weisen auf ebenes Gelände hin. Die Linien sind braun gezeichnet.
Ein weiterer Anhaltspunkt in diesem Zusammenhang sind die angegebenen Höhenmeter auf der Karte. Sie sagen dem Kartenleser, wie viele Meter er sich über dem Meeresspiegel befindet. Verfolgt der Reiter aufmerksam die Zahlen auf seinem Weg, kann er schnell erkennen, wann es bergauf oder bergab geht.
Der Kompass
Der Kompass ist das zweite Hilfsmittel neben der Karte, mit dem der Wanderreiter im Gelände die richtige Route findet. Zu empfehlen ist ein Wanderkompass mit einer rechteckigen, durchsichtigen Grundplatte, einer durchsichtigen Dose und einem verstellbaren Skalenring. Weiter hat dieser Kompass eine lange Anlegekante, eine ölgedämpfte Magnetnadel sowie eine 360 Gradeinteilung.
Der Kompassaufbau
Die freischwingende Magnetnadel
ist das Herzstück des Kompasses. Sie ist an der Nordspitze farblich
markiert und oft mit Leuchtfarbe versehen. Wichtig ist auch die heute
noch gebräuchlichste 360 Gradeinteilung mit den vier Himmelsrichtungen:
Süden, Westen und Osten sowie der Einstellmarke für Norden.
Auf die Missweisung kann bei Ritten in Mitteleuropa verzichtet
werden. Die Missweisung ist der Unterschied zwischen magnetischem und
geographischem Nordpol, der in unseren Breiten mit 2 Grad nur minimal
ausfällt.
Fehler bei der Benutzung des Kompasses
Der Kompass darf beim Ablesen nicht verkantet werden, sonst schleift die Nadel auf dem Boden und zeigt einen falschen Wert an. Die Magnetnadel reagiert natürlich auf alle magnetischen Stoffe, wie Hufwerkzeug, Zangen, Messer, Metalldosen, Karabinerhaken, Handys, Fotoapparate oder andere metallische Gegenstände. Einen großen Abstand erfordern außerdem Starkstrom- und Windanlagen oder Überlandleitungen. Der Kompass darf auch nicht im Bereich von starken elektrischen Feldern aufbewahrt werden, da sonst eine Ummagnetisierung droht und er dann nicht mehr zu gebrauchen ist.
Global-Positioning-System (GPS)
Wir Wanderreiter sollten uns modernen Techniken nicht verschließen. Aus diesem Grund stellen wir an dieser Stelle die neueste Kompass-Generation „GPS“, das „Global Positioning-System“ vor. Mit einem GPS-Empfänger besteht die Möglichkeit, zu jeder Tageszeit und an jedem Ort der Erde die genaue eigene Position zu bestimmen. Es wurde zur weltweiten Navigation der alliierten Streitkräfte vom US-Verteidigungsministerium konzipiert und entwickelt.
GPS beruht auf einer Standortbestimmung mit Hilfe von mehreren Satelliten. Dies funktioniert aber nur, wenn der Empfänger freie Rundsicht hat. Die Benutzung kostet im Moment noch Zeit, bis zu 30 Minuten, da mehrere Satelliten zu orten sind. Ein weiterer Nachteil ist die Energieversorgung mit Batterien, und die sind in der Regel leer, wenn sie dringend benötigt werden.
Der Umgang mit dem GPS-Empfänger erfordert Übung und gute Kenntnisse beim Kartenlesen. Er unterscheidet sich wesentlich vom herkömmlichen Kompass. Mit dem Kompass suchen wir den Weg vom momentanen Standort aus, das GPS geht vom Ziel aus. Vor dem Abritt müssen die Koordinaten des Zieles eingegeben werden. Satelliten führen den Reiter dann mit Hilfe des Empfängers zum Ziel.
Es gibt zwei Möglichkeiten der Navigation: einen direkten Weg zum Ziel, durch Eingabe der Zielkoordinaten oder durch Eingabe einer Route durch Speichern der Koordinaten von Wegpunkten. Egal für welche der Möglichkeiten man sich entscheidet, immer sind zuerst die Koordinaten aus der Karte zu ermitteln. Die erste Messung wird am Start vorgenommen, nach dem Einschalten sucht der Empfänger die Satelliten, dann wird die Route abgerufen, nun wird die Richtung vom eingebauten Kompass angezeigt. Billige Geräte, die keinen eingebauten Kompass besitzen, zeigen die entsprechende Himmelsrichtung an und mit einem separaten Kompass wird dann die Richtung zum Ziel abgelesen. Soweit der kurze Einblick in die neue Art der Orientierung im Gelände. Wer sich näher mit der Thematik befassen möchte, kann sich in verschiedenen Artikeln im Wanderreiter-Magazin (siehe Rubrik Schaufenster) oder im Fachhandel weiter informieren.
Karte und Kompass in der Praxis
„Für mich sind Karte und Kompass ein Buch mit sieben Siegeln“ oder „Ich bin technisch völlig unbegabt“ sagen viele Reiter, die sich scheuen, den Umgang mit Karte und Kompass zu erlernen. Dabei ist das Lesen der Karte und die Handhabung des Kompasses gar nicht so schwer wie man annehmen möchte.
Noch ungeübte Reiter kaufen sich eine topografische Karte 1:25.000 von der Landschaft im Umkreis von 10 Kilometern um den heimischen Stall. In folgenden Schritten bekommen Wanderreit-Einsteiger schnell einen guten Überblick und mit etwas Übung auch die nötige Sicherheit, um im fremden Gelände den richtigen Weg zu finden:
- bekannte Strecke bewusst abreiten und Geländebesonderheiten, wie Straßen, Hütten, Gebäude, Denkmäler oder Aussichtspunkte einprägen oder aufschreiben;
- die Symbole für die Besonderheiten zu Hause auf der Karte in der Legende suchen und den gerittenen Weg einzeichnen;
- beim Abreiten der Hausstrecke sollten alle Symbole, wie auch der eingezeichnete Weg gefunden werden;
- wird man sicherer, Kilometer für Kilometer die Strecke ausdehnen und sich langsam in unbekanntes Gelände begeben;
- zum Abschluss des Übungsstadiums eine Strecke von A nach B aussuchen, die bekannt ist und bei einem Freund in einen bekannten Quartier endet
- Anfangs Waldgebiete möglichst meiden, hier ist die Orientierung besonders schwierig, und dann mit Freunden einen Tagesritt von 20 bis 25 Kilometer unternehmen.
Diese Übungen werden vorwiegend „vor der eigenen Haustür“ absolviert, wo man anhand der Grobrichtung immer wieder zu einem bekannten Punkt( Ort, Hütte oder Gaststätte) findet. Schwieriger wird die Ausarbeitung der Strecke in einem gänzlich unbekannten Gelände, unter Umständen hunderte Kilometer vom eigenen Stall entfernt.
Die Planung beginnt mit dem Kauf einer Landkarte, meist im Maßstab 1:200.000. Start und Ziel werden mit einer geraden Linie verbunden und erhalten so einen Überblick über die zu reitende Strecke. Anhand der Ortschaften, die auf der Route tangiert werden, können die entsprechenden topografischen Karten bei dem jeweiligen Landesvermessungsamt, (außer Bayern, da gibt es sie nur im Buchhandel), bestellt werden. Wir haben gute Erfahrungen mit telefonischen Bestellungen gemacht. Den zuständigen Angestellten erklärten wir unser Vorhaben, nannten die Strecke und erhielten die richtigen Karten. Jedes Amt hat Übersichtskarten über alle TK 1:25.000 oder 1:50.000, sodass man auch mit etwas Geschick die richtigen Karten selbst aussuchen kann.
Ein besonders netter Angestellter des Landesvermessungsamtes Nordrhein-Westfalen empfahl uns Freizeitkarten für einen Wanderritt. Statt fünf benötigten wir nur zwei Karten, eine Ersparnis von rund 20 Euro, außerdem hatten wir weniger Karten im Gepäck und durch eingezeichnete Wanderwege sowie Sehenswürdigkeiten waren die Karten einfacher zu handhaben.
Die Länge der einzelnen Etappen richtet sich in erster Linie nach den Unterkünften. Bei der Streckenführung auf jeden Fall nach markanten Punkten wie Gaststätten, Brunnen, Bächen oder Hütten Ausschau halten. Taleinschnitte sollten bei großen Höhenunterschieden umgangen werden. Wege neben Bächen oder Ritte auf Höhenrücken sind angenehmer zu reiten, und die Reitzeit wird oft nicht wesentlich verlängert.
Beim Abritt vom Startort muß zuerst der richtige Einstieg in die Strecke gefunden werden. Ist dies gelungen, muß die Karte immer wieder mit dem tatsächlichen Gelände und ihren Gegebenheiten verglichen werden. Markierungen, wie zum Beispiel für Brunnen, Hochspannungsleitungen, Wasserbehälter oder Kreuze, sind immer im Auge zu behalten. Die Grobrichtung muß immer wieder mit dem Kompass überprüft werden. Taucht der richtige Ort oder die gesuchte Hütte auf, dann hat auch der Wanderreitführer immer wieder aufs Neue ein Erfolgserlebnis.
Das Zählen der Wege, die abzweigen, hilft manchmal dabei, auf der richtigen Route zu bleiben, aber oft stimmen die eingezeichneten Pfade mit der Wirklichkeit nicht mehr überein. Im Laufe der Zeit kommen Wege hinzu, andere verschwinden im dichten Gebüsch. Ein weiteres Hilfsmittel kann der eigene Daumen sein. Je nach Größe misst er ungefähr zwei Zentimeter, was auf unserer TK 50 einen Kilometer bedeutet, so können die noch zu reitenden Kilometer ohne großen Aufwand zumindest annähernd ermittelt werden. Im Übrigen kann man die Größe seines Daumens auf der Kilometeraufzeichnung am Kartenrand messen.
Einnorden der Karte
Das Einnorden der Karte ist unbedingt notwendig, damit der Reiter in unbekanntem Gelände in die richtige Richtung reitet, und muss vor Abritt erfolgen. Hierzu wird die Karte ausgebreitet auf eine ebene Fläche gelegt, sodass sie auch gedreht werden kann. Davon ausgehend, dass ein Marschkompass mit Anlegekante benutzt wird, legen wir den Kompass an den rechten oder linken Kartenrand, und zwar mit der Nordmarkierung nach oben. Nun wird die Karte mit dem Kompass darauf so lange gedreht, bis die Spitze der Magnetnadel mit der Nordmarkierung auf der Kompassdose übereinstimmt. Nun zeigt der obere Kartenrand genau nach Norden und die Karte liegt so vor uns, wie man das Gelände auch tatsächlich vor sich sieht.
Da der Zielpunkt der Tagesetappe vorher in die Karte eingetragen wurde, merkt man sich die Gradzahl(oder auch Marschzahl), die in Richtung Ziel zeigt, zum Beispiel 90 Grad (=genau Osten). Die Marschzahl ist jedoch nur ein grobes Hilfsmittel im Gelände, falls man sich so verirrt hat, dass nichts mehr geht.
Nach der Marschzahl zu reiten bedeutet nun „Querfeldein“. Es sind Hindernisse zu umgehen oder steile Abhänge zu reiten. Schlängelt sich unser Weg um einen Berg, kann man mit der Marschzahl auch nichts anfangen, da sich die Richtung laufend ändert und das ständige Ablesen des Kompasses sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Letztlich dient die Marschzahl dazu, die Grobrichtung im Auge zu behalten, damit man nicht versehentlich auf einen entgegensetzten Weg gerät, oder so lange nach diesem Anhaltspunkt reitet, bis man die Orientierung auf der Karte und somit auch im Gelände hat.
Das Höhenrelief
Wer nun einen genauen Überblick über seine Strecke bekommen will, muss sich ein Höhenrelief anfertigen. Denn die Karte ist plan und Berge und Erhebungen sind nicht im Verhältnis dargestellt. Aus diesem Grund kann das Abrändeln mit dem Kartenmesser oder mechanischen Kurvimeter, wie das Gerät in der Fachsprache genannt wird, nur einen ungefähren Wert ergeben.
Reitet man 30 Kilometer durch ein deutsches Mittelgebirge, ist die Entfernung größer, da ständig bergauf und bergab geritten wird. Ein so genanntes Höhenrelief verdeutlicht die Höhenunterschiede auf den ersten Blick. Zuerst wird ein Diagramm gezeichnet, mit den Höhenmetern an der vertikalen Achse und die Entfernung in Kilometern an der horizontalen Achse. Nun werden die Entfernungen zwischen zwei auf der Karte eingetragenen Höhenmetern eingezeichnet. Geht es bergauf, verläuft die Linie von links unten nach rechts oben und bergab umgekehrt.
Beispiel: Die Höhenmeterzahl am Startpunkt beträgt 250 Meter, einige Zentimeter weiter lesen wir die Zahl 460. Diese Entfernung wird mit dem Kartenmesser abgefahren. Er zeigt uns nun vier Kilometer an, auf ebener Fläche. In das Diagramm wird eine schräge Linie von 0 bis 4 und 250 bis 460 eingetragen. So verfährt man weiter, bis die gesamte Reitstrecke eingezeichnet ist. Nun erhält der Wanderrreiter ein sehr plastisches Bild von der Strecke und man kann die einzelnen Tagesrouten besser einteilen.
Die Reitzeit
Die Errechnung der tatsächlichen Reitzeit jeder Tagesetappe ist ein besonderes Problem für Wanderreiter, besonders wenn in größeren Gruppen geritten wird und eine genaue Planung im Vorfeld erfolgen muss. Die Mitreiter wollen Pausen einlegen, die Pferde müssen getränkt und der Tross relativ pünktlich zu dem vereinbarten Treffpunkt dirigiert werden. Bei Gruppen von mehr als fünf Tieren dauert das Tränken der Tiere bis zu 30 Minuten.
Eine Möglichkeit, die Länge der Strecke zu ermitteln, ist das Abrändeln der Strecke mit dem Kartenmesser. Je nach den Höhenunterschieden müssen die so ermittelten Kilometer mit 1,4 oder 1,7 multipliziert werden. Nach unseren Erfahrungen ist dies eine ausreichende und einfache Methode, die zu reitenden Kilometer zu ermitteln. Dieser Wert wird dann mit dem Tempo multipliziert, in dem man reiten möchte.
Beispiel: 20 Kilometer x 1,4= 28 Kilometer – 28 x Tempo 5 = 140 Minuten.
Das Tempo wird in Minuten pro Kilometer angegeben werden, zum Beispiel Tempo 4 bedeutet vier Minuten pro Kilometer. Als Vergleich: Das Gros der Teilnehmer an 10-Kilometer-Straßenläufen bewegt sich in einem Tempo zwischen vier und fünf, benötigt für den Lauf also 40 bis 50 Minuten. Ein lockerer Trab bewegt sich in den gleichen zeitlichen Regionen. Ein Wanderritt mit zahlreichen Schrittpassagen bewegt sich im Tempo 8 bis 10.
Beispiel: Unsere Reitsstrecke beträgt 35 Kilometer und soll in Tempo 7
gemeistert werden. Wieviel Minuten werden für die reine Reitzeit
benötigt? Reittempo 7 min/km= 35 km x 7 min/km = 245 Minuten. Das sind
umgerechnet 4 Stunden und fünf Minuten.
Ein fataler Irrtum wäre es
nun anzunehmen, das bei einer Abrittzeit von 10 Uhr die Gruppe um 14:05
Uhr im Ziel eintreffen würde. Pausen, Hindernisse, unfreiwillige Stopps,
weil das Gepäck verrutscht ist, eventuelles Verreiten, oder das
Umreiten eines gesperrten Gebietes kosten Zeit und sind auf jeden Fall
mit Zeitzuschlägen einzukalkulieren.
Und noch ein Ratschlag für alle angehenden kartenkundigen Wanderreiter und Kartenprofis: Ein Verreiten ist kein Beinbruch und auch nicht weiter tragisch, denn in unserem Bekanntenkreis haben sich ausnahmslos alle Wanderreitführer und Wanderreiter schon einmal gründlich verritten. Nicht wahr Peter, Herbert, Klaus, Armin, Eberhard, Dagmar, Birgit, Bernd…?
Über den Autor
Robert Claus ist Wanderreitführer (VFD/DWA) und freiberuflicher Fotojournalist. Seit vielen Jahren führt er erfolgreich Wanderritte in Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Italien und den Niederlanden. Seine Reportagen und Berichte erscheinen regelmäßig in verschiedenen Pferdezeitschriften. Robert Claus ist außerdem Autor verschiedener Fachbücher, z. B. der Titel „Mit Pferden draußen unterwegs“, erschienen im Cadmos-Verlag, 2009.
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