Ausbildung

Stressfreies Verladen zum Wanderritt

Frau führt Pferd auf Anhängerrampe

Wer kennt das nicht: Alles ist fertig gepackt, es soll losgehen zur großen Wanderreittour. Nur einer spielt nicht mit: das Pferd. Trotz guten Zuredens will es partout nicht in den Anhänger einsteigen. Dafür kann es 1.000 und mehr Gründe geben! Mal ist ein schlechter Fahrstil schuld, mal ein einschneidendes Erlebnis, oder es wurde alles gleich zu Beginn des Pferdelebens verbockt: Dann nämlich, wenn die ersten Fahrten zum Kastrieren, zum Absetzen und in den neuen Stall gehen. Was soll ein Pferd da noch vom Verladen halten? Nicht mehr viel! Ist es einmal so weit gekommen, bleibt nur eins: üben, üben, üben. In vielen Fällen ist es aber auch so, dass Besitzer so aufgeregt sind, dass ihre Pferde denken müssen, in dem Pferdehänger sitze ganz sicher ein Monster!! Nach einem hier vorgestellten 10-Punkte-Programm ist es den Besitzern möglich, ihr Pferd stressfrei und allein zu verladen.

Text: Kiki Kaltwasser

Achten Sie beim Verlade-Training immer auf Sicherheit und eine ruhige Atmosphäre. Je entspannter Sie trainieren, umso eher werden Sie Erfolge erzielen, die sich dann später auch in der Hektik, z. B. eines morgendlichen Ausbruchs zum Wanderritt, auszahlen. Bitte achten Sie immer darauf, dass sowohl Fahrzeug und Hänger in einem guten technischen Zustand sind. Der Hänger muss an ein Zugfahrzeug gekoppelt sein oder standsicher verankert sein. Trainieren Sie immer in einem umfriedeten Bereich mit weichem Boden nicht auf Asphalt! Gerade bei beschlagenen Pferden wird die Rutschgefahr unterschätzt. Wenn Pferde rutschen, werden sie schnell unsicher und neigen dann eher zu Widersetzlichkeiten, wie z. B. Steigen.

Training
Zwei bis drei Mal pro Woche sollten Sie das Verlade-Training einplanen, gekoppelt mit Führübungen und Bodenarbeit. Trainieren Sie höchstens 20 bis 30 Minuten und beenden Sie das Ganze immer mit einer geglückten Übung. Das kann auch ein geordnetes Rückwärtsrichten sein.

Ausrüstung Mensch/Pferd
Bitte immer Handschuhe, Longe und – meine Empfehlung – ein Druckhalfter, wie z. B. das Geitner-Halfter oder das Dually-Halfter, benutzen. Bitte nie Trense oder Halfter mit Führkette oder Steiggebiss benutzen! Wir wollen ja maulschonend arbeiten und die vorgenannten Ausrüstungen sind für das Training am Hänger nicht pferdegerecht. Weiterhin sollte das Pferd mit Verlade-Gamaschen ausgerüstet sein und evtl. einen Lederkopfschutz mit dem Halfter tragen.

Vorarbeit Führtraining
In meiner Arbeit mit Pferden sind mir viele Menschen begegnet, die den Schrank voller Pokale hatten, aber nicht in der Lage waren, ihr Pferd von A nach B zu führen. Dies ist aber die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Pferd einem Menschen in den Anhänger folgt. Bevor Sie beginnen, mit Ihrem Pferd am Hänger zu trainieren, müssen Sie es unbedingt an der Hand ruhig neben sich herführen können. Ist diese wichtige Voraussetzung nicht gegeben, nutzt auch das längste Training am Hänger nichts. Gehen Sie dazu z. B. eine Folge von zehn Schritten, bleiben Sie stehen und sehen Sie, ob Ihr Pferd auch stehen bleibt. Wenn nicht: emotionsloses Rückwärtsrichten von vier Schritten. Wiederholen Sie das Ganze, bis Ihr Pferd gut auf Ihre Körpersprache achtet und lernt, anzuhalten, wenn Sie auch halten. Gehen Sie in unterschiedlichen Tempi und ändern Sie die Richtung und wechseln Sie die Hand.

Vorarbeit Rückwärts
Wichtig: Ihr Pferd muss koordiniert rückwärts gehen können, sonst kann es nicht aussteigen!

Vorarbeit Kopfkontrolle
Üben Sie das Senken des Kopfes, in dem Sie sich vor Ihr Pferd stellen und leicht an der Longe einen Impuls nach unten geben. Gibt Ihr Pferd nach, hören auch Sie mit dem Druck auf usw., bis der Hals in der Waage ist. Erst dann können Sie beginnen, mit dem Pferd am Hänger zu arbeiten. Diese Übung sollten Sie bei Ihrem Pferd am und im Hänger wiederholen. Wenn es den Kopf sehr hoch trägt und somit versucht, die obere Rollade zu streifen, gibt es „Zwangsentspannung“: Wir leiten das Senken des Kopfes ein.

Training am Hänger
Nur wenn es Probleme gibt: Erst mal wieder alles raus aus dem Hänger. Sonst bitte sofort mit eingehängter Trennwand arbeiten. Dann gehen Sie mit Ihrem Pferd los und umrunden den Hänger auf beiden Händen. Das Pferd soll Gelegenheit haben sich (a) aufzuwärmen und (b) zu begreifen, in was es da einsteigen soll. Ganz wichtig hier: Immer nur auf die Beine/Hufe des Pferdes sehen, nicht in die Augen oder auf den Kopf. Die Augen eines Pferdes werden in freier Wildbahn nur von Beutegreifern fixiert und da wollen wir uns ja nicht unbedingt einreihen… Nehmen Sie nun eine entschlossene aber entspannte Körperhaltung ein und tief durchatmen (Denken Sie daran, ihr Pferd fühlt, wie hoch Ihr Puls ist!!). Dann gehen Sie forschen Schrittes gerade auf den Hänger zu, die Körperhaltung gestrafft, den Blick in den Hänger gerichtet und hinein gehen. Wichtig: Auch wenn Ihr Pferd nicht folgt, bitte nicht an der Rampe stehen bleiben und denken „kommt es jetzt“? Lassen Sie die Longe länger und gehen Sie einfach bis hinten durch. Viel Lob fördert die Motivation Ihres Pferdes.

Training von der Rampe aus
Bleibt Ihr Pferd vor der Rampe stehen, gehen Sie an den Hängereingang und arbeiten von dort aus weiter. Wer immer wieder hinausgeht und neuen Anlauf nimmt, ist bald ermüdet und auf das „Spiel“ des Pferdes, uns zu bewegen, anstatt sich selbst, hineingefallen. Steht Ihr Pferd nun vor dem Eingang und rührt sich nicht, beginnen Sie mit dem Halfter zu arbeiten. Hier ist Ihr Timing gefragt. Ist es schlecht, begreift das Pferd nicht, was Sie von ihm wollen, denn: Jeder Schritt – auch der hinteren Beine nach vorn – wird durch nachgeben an der Longe belohnt. Jeder Schritt zurück wird mit energischem Druck unangenehm gemacht. Wie fest Sie ziehen müssen, werden Sie im Laufe des Trainings feststellen. Es gilt immer: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Merke
Die besten Schritte kommen mit durchhängender Longe!! Warum? Hier entscheidet Ihr Pferd „von allein“, dass es in den Hänger geht. Diese Lektion ist sehr wichtig, denn nur was Pferde auch für sich als sicher erachten, wird im Laufe ihres Lebens als selbstverständlich wiederholt! Sprechen Sie nicht so viel mit dem Pferd, es soll sich ganz auf die Wirkung des Halfters konzentrieren. Loben mit Stimme bei passender Gelegenheit ist O.K.

Aufteilung
Teilen Sie die den Hänger in die Bereiche „vor der Rampe“, „auf der Rampe“, und „im Hänger 1. Hälfte“ sowie „im Hänger ganz“ für Ihr Pferd auf. Erst wenn in dieser Reihenfolge die Bereiche ruhig und willig begangen werden, können Sie übergehen und den neuen Bereich abfordern. Dann gehen Sie daran und üben das lange Stehen im Hänger. 

Futter?
Eigentlich bin ich dagegen, jedoch haben mich einige Pferde eines besseren belehrt. Gut futtermotivierte Pferde machen für eine Handvoll Müsli – fast – alles! Also: Belohnen Sie mit Müsli oder Hafer im Hänger, dabei wird die Ration von Woche zu Woche weniger. Am Ende nur noch mit einer Handvoll am Ende des Trainings belohnen. Niemals mit Möhren arbeiten, das wird zum Schnellimbiss: Möhre schnappen und schnell wieder raus.

Kurzparker überlisten
Wenn Ihr Pferd schnell von allein hinaus will: Gehen Sie wieder in den Hänger und richten es aktiv rückwärts, sobald es hinaus will! Es soll den Eindruck bekommen, SIE hätten es dazu aufgefordert.

Was mache ich, wenn mein Pferd nicht innerhalb der 30 Minuten einsteigt?
Brechen Sie das Training ab, auch wenn Ihr Pferd nicht im Hänger war. Ich bin ein Gegner der alten Mär die besagt „…dann steigt es nie mehr ein“. In vielen hunderten von Trainings habe ich das Gegenteil beweisen können.

Trainingszeit
Trainieren Sie weiter kontinuierlich zwei bis drei Mal die Woche für ca. 20 Minuten. Und: Geduld, denn Pferde mit einem Verlade-Problem lassen sich natürlich nicht so leicht überzeugen. Da hilft nur üben, üben, üben, so wie man auch fliegende Galoppwechsel oder andere Dressur-Aufgaben trainiert.

Salamitaktik
Trainieren Sie in kleinen Häppchen, wenn das eine gut klappt, gehen Sie zum nächsten Schritt über. Die kompletten Schritte sind:

1. Führen mit Gehen und Stehen bleiben und Rückwärts richten
2. Auf den Hänger zugehen
3. Auf die Rampe gehen
4. In den Hänger gehen ohne Trennwand
5. In den Hänger gehen mit eingehängter Trennwand
6. Im Hänger still stehen
7. Hinteren Bügel schließen
8. Anbinden
9. Klappe schließen
10. Fahren

Über die Autorin:
Kiki Kaltwasser ist Pferdewirtin und mehrfache Buchautorin. Seit 2007 leitet sie die Europäische Pferde Akademie mit internationalen Studenten, in der in einjährigen Studiengängen der Abschluss zum Pferdetrainer und Pferdemanager EPA erworben werden kann und – bei entsprechender Eignung – auf die Prüfung zum staatlich anerkannten Pferdewirt (als Seiteneinsteiger) vorbereitet wird.

  1. Pingback: Das ABC des Wanderreitens | Wanderreiter-Magazin

Kommentare sind geschlossen.