Zwei Tage lang führt die Reittour „Natur-Nah“ durch die abwechslungsreiche Landschaft des Wendlands. Eine Tour zum Entschleunigen und Kraft tanken für Körper und Seele. Ein Ritt auf den Spuren deutsch-deutscher Geschichte. Geeignet für Wendlandschnupperer, als Saisonauftakt für fortgeschrittene Wanderreiter und für solche, die es werden wollen.
Fotos: Susanne Tilsner
Stille umfängt die Reiter, nur noch die Geräusche der Natur sind zu hören, Vogelgezwitscher, das Knarzen der Bäume, ein gedämpfter Hufschlag auf sandigem Boden. Schon nach kurzer Zeit sind Alltagssorgen ganz weit weg, der würzige Duft des Waldes wirkt angenehm entspannend. Das ist das Wendland, ein Paradies für Wanderreiter. Und dennoch ist es bei weitem noch kein bekanntes Ziel für Wanderreiter – dabei hat es für Reisende zu Pferd so vieles zu bieten: eine sanfte hügelige Landschaft, geschaffen durch die Gletscher der Eiszeiten, weitläufige Wälder, auf deren sandigen Böden es sich herrlich traben und galoppieren lässt, oder reich blühende Heidelandschaften. Eingebettet in diese Landschaft liegen die für das Wendland so typischen Rundlinge und reetgedeckte, urige Fachwerkhäuser. Bei manchen von ihnen gibt es eine Rastmöglichkeit für Pferd und Reiter. So auch im Örtchen Wirl, wo vor einer Forstscheune nicht nur Sitzgruppen auf die Reiter, sondern sogar drei große Paddocks auf die Pferde warten. Perfekt für eine Pause am ersten Reittag.
Ausgeruht und munter geht es danach weiter zur „Wirler Spitze“, einer Binnendüne mitten im Wald. Fast könnte man glauben, dahinter beginne das Meer. Und kaum kann man glauben, dass genau hier, im einstigen Todesstreifen, vor rund 50 Jahren der 18-jährige Bernhard Simon beim Versuch aus der DDR zu flüchten im Minenstreifen starb. Heute erobert sich genügsames Heidekraut und Magerrasen langsam den kargen, sandigen Boden. Und den Wanderreitern offenbart sich die einzigartige Natur, die sich im „Schutz“ der ehemaligen Zonengrenze entfalten konnte. In den umliegenden Wäldern ist neben Dam- und Rotwild auch das Mufflon zuhause und mit etwas Glück trifft man darüber hinaus auf scheue Kraniche, die hier in diesem „stillen Winkel“ der Natur ein geeignetes Brutrevier gefunden haben.
Nicht nur die bewegte Geschichte des geteilten Deutschlands hat das Wendland geprägt. Schon im Mittelalter durchquerten Reisende die Region und mancher Weg, dem wir heute folgen, hat sich seitdem in seiner Führung kaum verändert. Auch das Kulturdenkmal „Vierzehn Gräben“ zeugt heute noch von einer mittelalterlichen Zollstation. Die Gräben rechts und links des Weges sollten verhindern, dass sich Reisende an der Zollstation „vorbeimogeln“ konnten.
Das Tagesziel und Übernachtungsort für Pferd und Reiter ist der Hof Tilsner, eine familiär geführte Wanderreitstation im malerischen Rundling Schmarsau gelegen. Schmarsau, das seinen Ursprung ebenfalls im Mittelalter hat, fiel im Jahr 1849 fast vollständig einem Großfeuer zum Opfer – lediglich ein Haus blieb unversehrt. Heute stehen die danach neu erbauten Fachwerkhäuser in der Dorfmitte unter Denkmalschutz. Viele der Spruchbalken über der sogenannten „Groot Döör“ der einzelnen Höfe erinnern heute noch an die Feuersbrunst.
Nach einer erholsamen Nacht im gemütlichen Gästezimmer des urigen Fachwerkhofes Tilsner geht es am zweiten Reittag durch die Nemitzer Heide wieder in Richtung Ausgangspunkt. Im Spätsommer zeigt sich die Nemitzer Heide als lila Blütenmeer, aber auch einzelne knorrige Kiefern, Wacholder und Birken haben auf dem hellen Sandboden einen passenden Standort gefunden. Regelmäßig durchziehen Schäfer mit großen Heidschnuckenherden die Heideflächen und sorgen so für eine stetige Verjüngung der Heidepflanzen und damit für den Erhalt der Heidelandschaft. Selten Vogelarten, wie Brachpieper, Wiedehopf oder Ziegenmelker, haben in den letzten Jahrzehnten hier ein Zuhause gefunden.
Beim Nemitzer Heidehaus laden Paddocks und Sitzgelegenheiten zum Verweilen ein. Neben Kaffee und Kuchen kann man hier auch herzhafte Kleinigkeiten von der Speisekarte des Ausflugslokals genießen.
Nach insgesamt fast 45 Kilometern erreichen die Wanderreiter am Abend des zweiten Reittages wieder den Ausgangspunkt, die Wanderreitstation „Horse Travel“ in Prezelle. Und wer nun nicht zum Wendland-Fan geworden ist, der war es wahrscheinlich schon vorher. Probieren Sie es aus!
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