Wo vor 140 Millionen Jahren der Urvogel Archaeopteryx zu Hause war und sich heute ein lieblicher Main-Donau-Kanal durch das Ur-Donautal schlängelt, reiten Véronique und Ulrich Wessel vom Wanderreitbetrieb „Reiten und Relaxen.de“ mit ihren Gästen zu sagenumwobenen Burgen und den schönsten Schauplätzen der Natur. Ein angenehmer Komfort und ein Hauch von Luxus erfreuen dabei auch ein genügsames und zähes Wanderreiterherz. „Falkenflug und Klosterbier“, so lautet der klangvolle Name der viertägigen Reittour durch den Naturpark Altmühltal, die ich begleitet habe.
Text und Fotos: Heike Gruber
Vier
Reittage unter weiß-blauem Himmel erwarten mich; voller Vorfreude
steige ich bei strahlend schönem Sonnenschein in Bonn in den Zug, um
gute sieben Stunden später bei strömendem Regen in Landshut wieder
auszusteigen. So ein Pech, Petrus hat es dieser Tage nicht gut mit uns
gemeint. Am Bahnhof erwartet mich ein tropfender Ulrich Wessel, schnell
laufen wir zum wartenden Auto. Es wird schon noch besser werden,
sprechen wir uns hinter dem hektisch wischenden Scheibenwischer
gegenseitig optimistisch zu.
Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichen wir unseren
Standort der kommenden Tage, das altehrwürdige Schloss Eggersberg, hoch
über dem malerischen Altmühltal gelegen. Von hier aus werden wir in den
nächsten vier Tagen Sternritte unternehmen, eine Übernachtung ist
außerdem im weltberühmten Kloster Weltenburg bei Kehlheim vorgesehen.
Selbst bei Dauerregen und wolkenverhangenem Himmel wirkt der Schlossgarten, in dem die Pferde untergebracht sind, geradezu märchenhaft bezaubernd. Zwischen knorrigen Hecken und Bäumen schlängeln sich schmale Pfade, bemooste Steinstatuen säumen den Weg, an manch lauschigem Ort kann man bei gutem Wetter tafeln und trinken oder den schönen Ausblick genießen. Nicht minder romantisch ist das Innere des Schlosshotels, wo wir uns mit Véronique Wessel und den anderen bereits angereisten Gästen treffen. Eine bunt gemischte Gruppe hat sich da zusammengefunden: Steffie, Personalerin aus München, Tanja, Stylistin und ebenfalls aus München, und Petra ist mit ihrem Isländerstütchen Hera vom Ammersee angereist. Die beiden noch fehlenden Gäste Marion und Oliver werden erst am nächsten Tag eintreffen.
Das altehrwürdige Schloss Eggersberg bietet den Wanderreitern Unterkunft.
Blick auf den Main-Donau-Kanal
Bei „Reiten und Relaxen.de“ wird die „Kultur des Wanderreitens“ gepflegt
Nach einem fröhlichen gegenseitigen Vorstellen
beziehen wir unsere Zimmer und ich staune nicht schlecht: Zwischen
dickem altem Gebälk steht stilvoll ein herrliches altes Bauernbett, mein
Gepäck bringe ich in einem bunt bemalten antiken Bauernschrank unter.
Der Blick aus dem kleinen Fenster offenbart einen romantischen Innenhof,
im Hintergrund sehe ich grüne Hügel, wenn auch heute in dicke graue
Regenwolken eingepackt. Käme nun ein Ritter um die Ecke galoppiert, mich
würde es nicht wundern.
Noch am gleichen Abend starten wir zu einem kurzen
Kennenlern-Ritt. Ich bekomme Lucy, eine hübsche fuchsfarbene
Vollblutmixstute, zugeteilt. Dann gibt es da noch Dingo und Paul, zwei
schmale dunkelbraune Traber, Barclay, einen großen und braven
Appaloosa-Mix-Wallach, den Appaloosa Frisco und den jungen und frechen
Spot, ebenfalls ein Appaloosa-Wallach. Wir putzen und satteln, dann
reiten wir immer noch bei strömendem Regen hinein in den grünen Laubwald
um Schloss Eggersberg. Und – herrlich ist`s! Der Regen prasselt auf das
Blätterdach, aber wir sind warm und trocken unter unseren Regenmänteln.
Es riecht nach feuchter Erde, nach Baumrinde und nassem Gras. Wir sind
angekommen, im Urlaub.
Am Abend erwartet uns im hoteleigenen Restaurant ein
geschmackvolles und reichhaltiges Drei-Gänge-Menü. Wer mag, lässt sich
dazu ein Emmer-Bier schmecken, wärmstens empfohlen von Ulrich Wessel –
und der muss es wissen, denn schon seit einigen Jahren führt es ihn und
Véronique mindestens einmal jährlich hier hin. „Schloss Eggersberg haben
wir vor mehreren Jahren in einem Urlaub ohne Pferde entdeckt. Uns war
sofort klar: Hier müssen wir mit unseren Gästen zum reiten hin“ erzählt
er. So war die Reittour „Falkenflug und Klosterbier“ geboren. Die
Schlossherren waren schnell von der Idee überzeugt und gerne stellen sie
bis heute den Schlossgarten als Unterkunft für die Pferde zur
Verfügung.
Das schöne alte Schloss passt perfekt in das Konzept
des Wesselschen Wanderreitbetriebes, der ganz nach der Philosophie der
Deutschen Wanderreiter-Akademie die „Kultur des Wanderreitens“ pflegt.
Dazu gehören definitionsgemäß „Natur und Landschaft, Kultur und
Geschichte, Reiten in angenehmer Gesellschaft mit kulinarischem Genießen
und einem Hauch von Abenteuer“. Kurz: Wer gerne gleichzeitig reiten,
schlemmen und genießen möchte, der ist hier genau richtig. Zufrieden
träume ich mich an diesem Abend im gemütlichen Bauernbett dem nächsten
Reittag entgegen.
Das Erwachen am nächsten Morgen hält leider immer
noch keinen Sonnenschein bereit, aber eine ansteckend gut gelaunte
Véronique verteilt Trinkflaschen, Abdeckplanen für die Sättel und
Regenponchos. Man merkt der gelernten ATE-Wanderreitführerin (ATE =
Accompagnateur de tourisme equestre) die Erfahrung an – seit rund sieben
Jahren leitet Véronique Wanderreittouren rund um ihren Betrieb bei
Landshut bis hin zu Touren in Frankreich. Ihrem aufmerksamen Blick
entgeht so schnell nichts, keine verhedderten Zügel, kein zu fester
Sattelgurt, keine vergessene Trinkflasche am Rande der Wiese.
Reiten auf Spuren längst vergangener Zeiten
Der heutige Tag führt uns von Schloss Eggersberg aus
zur wunderschön gelegenen Burg Prunn. Wir reiten auf z. T. steilen und
schmalen Wegen durch den grünen Mischwald, dann stehen wir auf einer
waldfreien Kuppe, von der aus sich ein herrlicher Blick in das Tal
eröffnet. Jahrmillionen und das Wirken mächtiger Urkräfte schufen das
Landschaftsbild des Altmühltals. In einem urzeitlichen Jurameer bildeten
sich Riffe, die heute als weiß leuchtende Felsen in den Himmel ragen
und während der Eiszeiten durchfloss die Urdonau die Region, sie
hinterließ Täler und formte Felsmassive, auf denen später Burgen und
Festungen erbaut wurden.
Wie ein schmales blaues Band fließt tief unter uns der Main-Donau-Kanal. Die Wasserstraße ist beliebtes Ziel für Fahrradfahrer, denn entlang des Flusses lässt es sich bequem und ohne große Anstrengung radeln. Hier oben jedoch, hoch über dem Tal, bleiben wir ungestört von Trubel und Massentourismus. Lediglich zwei einsame wetterfeste Wanderer kreuzen unseren Weg.
Flott geht es über Feld, Wald, Wiese.
Spektakulär thront die Burg Prunn auf einem steil
abfallenden Kalkfelsen. Obwohl nicht die größte und reichste Burg, so
gehört Schloss Prunn doch aufgrund seiner einmaligen Lage und als
Fundstelle einer Handschrift des Nibelungenliedes, des sogenannten
„Prunner Codex“, zu den bekanntesten Burgen Bayerns. Einer Sage nach
lebte hier einst ein reicher Ritter, dessen einziges Kind eine Tochter
war. Wer um die Hand der Tochter anhielt, musste die Mauern der Burg
umreiten. Viele mutige Bewerber stürzten mit ihrem Pferd die steile
Felswand hinunter. Bis eines Tages ein schöner Rittersmann kam, der der
Tochter wohlgefiel. Sie verriet ihm, was sonst keiner wusste: dass die
Schlossmauern zwischen den Felsen bis zum Grund reichen. Und so gelang
es dem Ritter, die Burg wohlbehalten mit dem Pferd zu umrunden und die
Tochter zu heiraten.
Uns Wanderreiter erwartet heute zum Glück kein
waghalsiger Ritt auf schmalen Burgmauern. Nach unserer Ankunft spannen
Ulrich und Véronique ein Hochseil, an dem wir unsere Pferde für die
Pause anbinden können. Die Sättel werden zum Schutz gegen den immer noch
andauernden Regen mit Planen abgedeckt. Im trockenen Gastraum der
Schlossgaststätte verspeisen wir mit großem Appetit unser mitgebrachtes
Mittagslunch, manch einer erfreut sich auch an einem großen Stück
Apfelkuchen mit Sahne oder einem heißen Kakao.
Zurück geht es nach einem längeren Abstieg zu Tal
entlang des Main-Donau-Kanals. Fröhlich winken uns die Gäste von den
Ausflugsdampfern zu. Ob sie vielleicht ein wenig neidisch sind beim
Anblick der munter galoppierenden Reitertruppe am Fluss? Ich wär`s ganz
bestimmt. Der Weg führt durch leuchtend gelbe Rapsfelder und entlang
bunter Blumenwiesen. An den steilen Talwänden ragen immer wieder
imposante weiße Kalkfelsformationen aus dem Grün des Waldes. Einst zogen
die Nibelungen auf ihren Zügen zu König Etzels Reich in Ungarn durch
das Tal und vielleicht kann der, der genau hinhorcht, noch heute das
Fluchen wegelagernder Raubritter und das Wehklagen überfallener
Handelskarawanen von den Felswänden widerhallen hören.
Endlich lässt der Regen nach, das dunkle Einheitsgrau am Himmel zeigt Konturen, hier und da blitzt sogar ein heller Fleck daraus hervor. Petra packt frohgemut ihren Regenmantel weg. Morgen kommt der Sommer, verspricht Tanja, ich habe es mir ganz fest gewünscht, morgen!
Endlich Kaiserwetter!
Der nächste Tag bringt, man kann es kaum glauben: Kaiserwetter – endlich! Ob es nun Tanjas Bestellung beim Universum war oder Petrus einfach nur ein Einsehen mit uns hatte, egal. Mit einem hämischen Pah werfe ich den Regenmantel in die Ecke und packe stattdessen die große Flasche Sonnencreme aus. Beschwingt reiten wir durch Wacholderheiden und über duftenden Magerrasen hinauf zum Rosskopf, von dem aus sich ein herrlicher Blick auf den Main-Donau-Kanal und auf das gegenüber liegende Schloss Eggersberg bietet. Die Wacholderheiden sind ein typisches Landschaftselement im Naturpark Altmühltal. Aus den einst bewaldeten Flächen wurde durch Abholzung in den vergangenen Jahrhunderten und extensive Beweidung ein Paradies für seltene Pflanzen und Tierarten geschaffen, die es zu schützen gilt. Die Wanderschäferei ist deshalb heute ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der wertvollen Lebensräume für Pflanzen und Tiere.
Auch der dritte und vierte Tag der Reittour
„Falkenflug und Klosterbier“ bietet jede Menge Highlights: Wir
überqueren den „Tazlwurm“, wie die elegant geschwungene Holzbrücke bei
Essing im Volksmund genannt wird. Die Brücke quert den Main-Donau-Kanal,
der hier mit vielen Altwasserbuchten und -armen eine idyllische und
lebendige Flusslandschaft bildet. Beiderseits eingerahmt durch schroffe
steile Felsen, in luftiger Höhe sitzt auf einem von ihnen stolz die
Ruine der Burg Randeck. Den prächtigen Ausblick, der sich von hier oben
über das Tal bietet, wussten vermutlich schon die Kelten zu schätzen.
Zwischen den steil aufragenden Jurakalkfelsen und Fluss schmiegt sich der kleine, über 1.000 Jahre alte Marktort Essing. Am Flussufer haben Véronique und Ulrich ein idyllisches Plätzchen für die Mittagsrast gefunden. Sehr zur Freude durstiger und verschwitzter Reiter nur unweit vom „Kleinen Brauhaus“, aus dem uns Ulrich mit frischem kühlem Bier versorgt.
An diesem Abend bauen wir die Paddocks für die
Pferde im Obstgarten des Gutshofes von Kloster Weltenburg auf. Nur
leider hat sich auch ein großer Bienenschwarm hier für diese Nacht
Quartier gesucht. Wie eine riesige Traube hängt der Schwarm am
Apfelbaum, um plötzlich auszuschwärmen. Das ist ein Summen und Surren,
Ulrich und mir ist wenig behaglich. Zum Glück ist der Obstgarten groß
genug für uns alle. Wir schließen ein stillschweigendes Abkommen: Ihr
hier vorne, wir da hinten, und ob sie`s nun verstanden haben oder nicht,
die Bienen halten sich daran.
Die Reiter verbringen diese Nacht in der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Benedektinerabtei Weltenburg, malerisch auf einer Donauhalbinsel nahe Kehlheim gelegen. Von klösterlicher Stille und Gebet ist hier heute jedoch wenig zu spüren. Bei sommerlichen Temperaturen herrscht im schattigen Biergarten der Klosterschänke Oktoberfeststimmung. Schon seit 1050 brauen die Mönche hier das Weltenburger Klosterbier; damit ist die Klosterschänke Weltenburg die älteste Klosterbrauerei der Welt. Doch nicht nur das beliebte Bier, sondern auch die herrliche Barockkirche und die wunderschöne Lage des Klosters direkt an der „Weltenburger Enge“ locken Scharen von Touristen her. Hier zwängt sich die Donau durch steilen und teils bizarr geformten Fels, ein Meisterwerk der Natur. Das wurde auch offiziell anerkannt: Die „Weltenburger Enge“ wurde mit einem Europa-Diplom und als eines der 100 schönsten Geotope Bayerns ausgezeichnet.
Noch lange sitzen wir an diesem lauen Sommerabend im Innenhof des Klosters beisammen, erzählen und lassen den Tag Revue passieren. Längst sind die Touristen verschwunden, der Biergarten geschlossen, Ruhe kehrt ein. Aus der Kirche hören wir die Gesänge der Mönche beim abendlichen Gottesdienst, der Sonnenuntergang taucht die Donau in goldenes Licht. Es gibt sie also doch hier, die Stille und die Ruhe. So lässt es sich aushalten!
Überquerung des Main-Donau-Kanals bei Essing
Die perfekte Symbiose aus reiten, Kultur und Natur
Ein letztes Mal satteln die Reiter am nächsten
Morgen die Pferde. Ein letzter Ritt führt sie zurück zum Schloss
Eggersberg, die vier Tage sind wie im Flug vergangen.
Mit ihrer Reittour „Falkenflug und Klosterbier“ ist
Véronique und Ulrich Wessel die perfekte Symbiose aus reiten, Natur und
Kultur gelungen. Die vier Reittage sind geradezu gespickt mit
kulturhistorischen und ökologischen Höhepunkten. Dabei kommen Vergnügen,
Genuss und Entspannung nicht zu kurz. Sattelfeste Reiter dürfen sich
auf eine wohldurchdachte und sehr gut organisierte Tour mit gut
ausgebildeten und erfahrenen WanderPferden freuen; übrigens werden alle
Pferde ausschließlich gebisslos mit dem Sidepull geritten. Véronique
leitet die Tour in ihrer überaus sympathischen Art mit viel Ruhe und
Humor, Ulrich sorgt für Pferd und Reiter in den Pausen und bei der
Ankunft, sodass für die Gäste nur noch eines zu tun bleibt: reiten und
relaxen.
Wo vor 140 Millionen Jahren der Urvogel Archaeopteryx zu Hause war und sich heute ein lieblicher Main-Donau-Kanal durch das Ur-Donautal schlängelt, reiten Véronique und Ulrich Wessel vom Wanderreitbetrieb „Reiten und Relaxen.de“ mit ihren Gästen zu sagenumwobenen Burgen und den schönsten Schauplätzen der Natur. Ein angenehmer Komfort und ein Hauch von Luxus erfreuen dabei auch ein genügsames und zähes Wanderreiterherz. „Falkenflug und Klosterbier“, so lautet der klangvolle Name der viertägigen Reittour durch den Naturpark Altmühltal, die ich begleitet habe.
Text und Fotos: Heike Gruber
Vier Reittage unter weiß-blauem Himmel erwarten mich; voller Vorfreude steige ich bei strahlend schönem Sonnenschein in Bonn in den Zug, um gute sieben Stunden später bei strömendem Regen in Landshut wieder auszusteigen. So ein Pech, Petrus hat es dieser Tage nicht gut mit uns gemeint. Am Bahnhof erwartet mich ein tropfender Ulrich Wessel, schnell laufen wir zum wartenden Auto. Es wird schon noch besser werden, sprechen wir uns hinter dem hektisch wischenden Scheibenwischer gegenseitig optimistisch zu.
Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichen wir unseren Standort der kommenden Tage, das altehrwürdige Schloss Eggersberg, hoch über dem malerischen Altmühltal gelegen. Von hier aus werden wir in den nächsten vier Tagen Sternritte unternehmen, eine Übernachtung ist außerdem im weltberühmten Kloster Weltenburg bei Kehlheim vorgesehen.
Selbst bei Dauerregen und wolkenverhangenem Himmel wirkt der Schlossgarten, in dem die Pferde untergebracht sind, geradezu märchenhaft bezaubernd. Zwischen knorrigen Hecken und Bäumen schlängeln sich schmale Pfade, bemooste Steinstatuen säumen den Weg, an manch lauschigem Ort kann man bei gutem Wetter tafeln und trinken oder den schönen Ausblick genießen. Nicht minder romantisch ist das Innere des Schlosshotels, wo wir uns mit Véronique Wessel und den anderen bereits angereisten Gästen treffen. Eine bunt gemischte Gruppe hat sich da zusammengefunden: Steffie, Personalerin aus München, Tanja, Stylistin und ebenfalls aus München, und Petra ist mit ihrem Isländerstütchen Hera vom Ammersee angereist. Die beiden noch fehlenden Gäste Marion und Oliver werden erst am nächsten Tag eintreffen.
Bei „Reiten und Relaxen.de“ wird die „Kultur des Wanderreitens“ gepflegt
Nach einem fröhlichen gegenseitigen Vorstellen beziehen wir unsere Zimmer und ich staune nicht schlecht: Zwischen dickem altem Gebälk steht stilvoll ein herrliches altes Bauernbett, mein Gepäck bringe ich in einem bunt bemalten antiken Bauernschrank unter. Der Blick aus dem kleinen Fenster offenbart einen romantischen Innenhof, im Hintergrund sehe ich grüne Hügel, wenn auch heute in dicke graue Regenwolken eingepackt. Käme nun ein Ritter um die Ecke galoppiert, mich würde es nicht wundern.
Noch am gleichen Abend starten wir zu einem kurzen Kennenlern-Ritt. Ich bekomme Lucy, eine hübsche fuchsfarbene Vollblutmixstute, zugeteilt. Dann gibt es da noch Dingo und Paul, zwei schmale dunkelbraune Traber, Barclay, einen großen und braven Appaloosa-Mix-Wallach, den Appaloosa Frisco und den jungen und frechen Spot, ebenfalls ein Appaloosa-Wallach. Wir putzen und satteln, dann reiten wir immer noch bei strömendem Regen hinein in den grünen Laubwald um Schloss Eggersberg. Und – herrlich ist`s! Der Regen prasselt auf das Blätterdach, aber wir sind warm und trocken unter unseren Regenmänteln. Es riecht nach feuchter Erde, nach Baumrinde und nassem Gras. Wir sind angekommen, im Urlaub.
Am Abend erwartet uns im hoteleigenen Restaurant ein geschmackvolles und reichhaltiges Drei-Gänge-Menü. Wer mag, lässt sich dazu ein Emmer-Bier schmecken, wärmstens empfohlen von Ulrich Wessel – und der muss es wissen, denn schon seit einigen Jahren führt es ihn und Véronique mindestens einmal jährlich hier hin. „Schloss Eggersberg haben wir vor mehreren Jahren in einem Urlaub ohne Pferde entdeckt. Uns war sofort klar: Hier müssen wir mit unseren Gästen zum reiten hin“ erzählt er. So war die Reittour „Falkenflug und Klosterbier“ geboren. Die Schlossherren waren schnell von der Idee überzeugt und gerne stellen sie bis heute den Schlossgarten als Unterkunft für die Pferde zur Verfügung.
Das schöne alte Schloss passt perfekt in das Konzept des Wesselschen Wanderreitbetriebes, der ganz nach der Philosophie der Deutschen Wanderreiter-Akademie die „Kultur des Wanderreitens“ pflegt. Dazu gehören definitionsgemäß „Natur und Landschaft, Kultur und Geschichte, Reiten in angenehmer Gesellschaft mit kulinarischem Genießen und einem Hauch von Abenteuer“. Kurz: Wer gerne gleichzeitig reiten, schlemmen und genießen möchte, der ist hier genau richtig. Zufrieden träume ich mich an diesem Abend im gemütlichen Bauernbett dem nächsten Reittag entgegen.
Das Erwachen am nächsten Morgen hält leider immer noch keinen Sonnenschein bereit, aber eine ansteckend gut gelaunte Véronique verteilt Trinkflaschen, Abdeckplanen für die Sättel und Regenponchos. Man merkt der gelernten ATE-Wanderreitführerin (ATE = Accompagnateur de tourisme equestre) die Erfahrung an – seit rund sieben Jahren leitet Véronique Wanderreittouren rund um ihren Betrieb bei Landshut bis hin zu Touren in Frankreich. Ihrem aufmerksamen Blick entgeht so schnell nichts, keine verhedderten Zügel, kein zu fester Sattelgurt, keine vergessene Trinkflasche am Rande der Wiese.
Reiten auf Spuren längst vergangener Zeiten
Der heutige Tag führt uns von Schloss Eggersberg aus zur wunderschön gelegenen Burg Prunn. Wir reiten auf z. T. steilen und schmalen Wegen durch den grünen Mischwald, dann stehen wir auf einer waldfreien Kuppe, von der aus sich ein herrlicher Blick in das Tal eröffnet. Jahrmillionen und das Wirken mächtiger Urkräfte schufen das Landschaftsbild des Altmühltals. In einem urzeitlichen Jurameer bildeten sich Riffe, die heute als weiß leuchtende Felsen in den Himmel ragen und während der Eiszeiten durchfloss die Urdonau die Region, sie hinterließ Täler und formte Felsmassive, auf denen später Burgen und Festungen erbaut wurden.
Wie ein schmales blaues Band fließt tief unter uns der Main-Donau-Kanal. Die Wasserstraße ist beliebtes Ziel für Fahrradfahrer, denn entlang des Flusses lässt es sich bequem und ohne große Anstrengung radeln. Hier oben jedoch, hoch über dem Tal, bleiben wir ungestört von Trubel und Massentourismus. Lediglich zwei einsame wetterfeste Wanderer kreuzen unseren Weg.
Spektakulär thront die Burg Prunn auf einem steil abfallenden Kalkfelsen. Obwohl nicht die größte und reichste Burg, so gehört Schloss Prunn doch aufgrund seiner einmaligen Lage und als Fundstelle einer Handschrift des Nibelungenliedes, des sogenannten „Prunner Codex“, zu den bekanntesten Burgen Bayerns. Einer Sage nach lebte hier einst ein reicher Ritter, dessen einziges Kind eine Tochter war. Wer um die Hand der Tochter anhielt, musste die Mauern der Burg umreiten. Viele mutige Bewerber stürzten mit ihrem Pferd die steile Felswand hinunter. Bis eines Tages ein schöner Rittersmann kam, der der Tochter wohlgefiel. Sie verriet ihm, was sonst keiner wusste: dass die Schlossmauern zwischen den Felsen bis zum Grund reichen. Und so gelang es dem Ritter, die Burg wohlbehalten mit dem Pferd zu umrunden und die Tochter zu heiraten.
Uns Wanderreiter erwartet heute zum Glück kein waghalsiger Ritt auf schmalen Burgmauern. Nach unserer Ankunft spannen Ulrich und Véronique ein Hochseil, an dem wir unsere Pferde für die Pause anbinden können. Die Sättel werden zum Schutz gegen den immer noch andauernden Regen mit Planen abgedeckt. Im trockenen Gastraum der Schlossgaststätte verspeisen wir mit großem Appetit unser mitgebrachtes Mittagslunch, manch einer erfreut sich auch an einem großen Stück Apfelkuchen mit Sahne oder einem heißen Kakao.
Zurück geht es nach einem längeren Abstieg zu Tal entlang des Main-Donau-Kanals. Fröhlich winken uns die Gäste von den Ausflugsdampfern zu. Ob sie vielleicht ein wenig neidisch sind beim Anblick der munter galoppierenden Reitertruppe am Fluss? Ich wär`s ganz bestimmt. Der Weg führt durch leuchtend gelbe Rapsfelder und entlang bunter Blumenwiesen. An den steilen Talwänden ragen immer wieder imposante weiße Kalkfelsformationen aus dem Grün des Waldes. Einst zogen die Nibelungen auf ihren Zügen zu König Etzels Reich in Ungarn durch das Tal und vielleicht kann der, der genau hinhorcht, noch heute das Fluchen wegelagernder Raubritter und das Wehklagen überfallener Handelskarawanen von den Felswänden widerhallen hören.
Endlich lässt der Regen nach, das dunkle Einheitsgrau am Himmel zeigt Konturen, hier und da blitzt sogar ein heller Fleck daraus hervor. Petra packt frohgemut ihren Regenmantel weg. Morgen kommt der Sommer, verspricht Tanja, ich habe es mir ganz fest gewünscht, morgen!
Endlich Kaiserwetter!
Der nächste Tag bringt, man kann es kaum glauben: Kaiserwetter – endlich! Ob es nun Tanjas Bestellung beim Universum war oder Petrus einfach nur ein Einsehen mit uns hatte, egal. Mit einem hämischen Pah werfe ich den Regenmantel in die Ecke und packe stattdessen die große Flasche Sonnencreme aus. Beschwingt reiten wir durch Wacholderheiden und über duftenden Magerrasen hinauf zum Rosskopf, von dem aus sich ein herrlicher Blick auf den Main-Donau-Kanal und auf das gegenüber liegende Schloss Eggersberg bietet. Die Wacholderheiden sind ein typisches Landschaftselement im Naturpark Altmühltal. Aus den einst bewaldeten Flächen wurde durch Abholzung in den vergangenen Jahrhunderten und extensive Beweidung ein Paradies für seltene Pflanzen und Tierarten geschaffen, die es zu schützen gilt. Die Wanderschäferei ist deshalb heute ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der wertvollen Lebensräume für Pflanzen und Tiere.
Auch der dritte und vierte Tag der Reittour „Falkenflug und Klosterbier“ bietet jede Menge Highlights: Wir überqueren den „Tazlwurm“, wie die elegant geschwungene Holzbrücke bei Essing im Volksmund genannt wird. Die Brücke quert den Main-Donau-Kanal, der hier mit vielen Altwasserbuchten und -armen eine idyllische und lebendige Flusslandschaft bildet. Beiderseits eingerahmt durch schroffe steile Felsen, in luftiger Höhe sitzt auf einem von ihnen stolz die Ruine der Burg Randeck. Den prächtigen Ausblick, der sich von hier oben über das Tal bietet, wussten vermutlich schon die Kelten zu schätzen.
Zwischen den steil aufragenden Jurakalkfelsen und Fluss schmiegt sich der kleine, über 1.000 Jahre alte Marktort Essing. Am Flussufer haben Véronique und Ulrich ein idyllisches Plätzchen für die Mittagsrast gefunden. Sehr zur Freude durstiger und verschwitzter Reiter nur unweit vom „Kleinen Brauhaus“, aus dem uns Ulrich mit frischem kühlem Bier versorgt.
An diesem Abend bauen wir die Paddocks für die Pferde im Obstgarten des Gutshofes von Kloster Weltenburg auf. Nur leider hat sich auch ein großer Bienenschwarm hier für diese Nacht Quartier gesucht. Wie eine riesige Traube hängt der Schwarm am Apfelbaum, um plötzlich auszuschwärmen. Das ist ein Summen und Surren, Ulrich und mir ist wenig behaglich. Zum Glück ist der Obstgarten groß genug für uns alle. Wir schließen ein stillschweigendes Abkommen: Ihr hier vorne, wir da hinten, und ob sie`s nun verstanden haben oder nicht, die Bienen halten sich daran.
Die Reiter verbringen diese Nacht in der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Benedektinerabtei Weltenburg, malerisch auf einer Donauhalbinsel nahe Kehlheim gelegen. Von klösterlicher Stille und Gebet ist hier heute jedoch wenig zu spüren. Bei sommerlichen Temperaturen herrscht im schattigen Biergarten der Klosterschänke Oktoberfeststimmung. Schon seit 1050 brauen die Mönche hier das Weltenburger Klosterbier; damit ist die Klosterschänke Weltenburg die älteste Klosterbrauerei der Welt. Doch nicht nur das beliebte Bier, sondern auch die herrliche Barockkirche und die wunderschöne Lage des Klosters direkt an der „Weltenburger Enge“ locken Scharen von Touristen her. Hier zwängt sich die Donau durch steilen und teils bizarr geformten Fels, ein Meisterwerk der Natur. Das wurde auch offiziell anerkannt: Die „Weltenburger Enge“ wurde mit einem Europa-Diplom und als eines der 100 schönsten Geotope Bayerns ausgezeichnet.
Noch lange sitzen wir an diesem lauen Sommerabend im Innenhof des Klosters beisammen, erzählen und lassen den Tag Revue passieren. Längst sind die Touristen verschwunden, der Biergarten geschlossen, Ruhe kehrt ein. Aus der Kirche hören wir die Gesänge der Mönche beim abendlichen Gottesdienst, der Sonnenuntergang taucht die Donau in goldenes Licht. Es gibt sie also doch hier, die Stille und die Ruhe. So lässt es sich aushalten!
Die perfekte Symbiose aus reiten, Kultur und Natur
Ein letztes Mal satteln die Reiter am nächsten Morgen die Pferde. Ein letzter Ritt führt sie zurück zum Schloss Eggersberg, die vier Tage sind wie im Flug vergangen.
Mit ihrer Reittour „Falkenflug und Klosterbier“ ist Véronique und Ulrich Wessel die perfekte Symbiose aus reiten, Natur und Kultur gelungen. Die vier Reittage sind geradezu gespickt mit kulturhistorischen und ökologischen Höhepunkten. Dabei kommen Vergnügen, Genuss und Entspannung nicht zu kurz. Sattelfeste Reiter dürfen sich auf eine wohldurchdachte und sehr gut organisierte Tour mit gut ausgebildeten und erfahrenen WanderPferden freuen; übrigens werden alle Pferde ausschließlich gebisslos mit dem Sidepull geritten. Véronique leitet die Tour in ihrer überaus sympathischen Art mit viel Ruhe und Humor, Ulrich sorgt für Pferd und Reiter in den Pausen und bei der Ankunft, sodass für die Gäste nur noch eines zu tun bleibt: reiten und relaxen.