Querfeldein

„Das Wanderreiten ist eine ’neue‘ Kultur des Reisens“

Im Gespräch mit Herbert Fischer, Gründer und Leiter der Deutschen Wanderreiter-Akademie.

WRM: Herbert, Du hast ein Leben als Top-Verdiener in der Vorstandsetage eines großen Unternehmens gegen das eines Abenteurers und Lebenskünstlers getauscht. Wie ist es zu diesem Schritt gekommen?

Herbert Fischer: Ich habe mit meinem ersten Leben schon lange abgeschlossen, ganz bewusst und ganz radikal, weil ich mir die Chance eines zweiten, völlig anders gearteten Lebensabschnittes gönnen wollte. Das Wanderreiten hat mich schon lange Zeit vorher fasziniert und ich habe viele Stunden meiner Freizeit damit verbracht, mich von ausgewiesenen Experten in die Kunst der Wanderreiterei einführen zu lassen. Als sich mir dann die Möglichkeit bot, mich selbstständig zu machen, griff ich zu, sehr spontan und doch mit dem sicheren Wissen, dass manche Gelegenheiten im Leben kein zweites Mal kommen. Das war 1981. Seit 1986 gibt es in Reckenthal im Westerwald den Fischerhof und seit 1992 gibt es auch die von mir gegründete Wanderreiter-Akademie.

WRM: Warum eine Wanderreiter-Akademie?

Herbert Fischer: Wir erleben heute eine stürmische Entwicklung des Wanderreitens. Gerade deshalb erscheint es mir wichtig, in Deutschland wie in ganz Europa diese faszinierende wie vielseitige Freizeitbeschäftigung qualitativ zu fördern. Denn ich bin überzeugt, dass es nicht genügt, einfach aufs Pferd zu springen und durch die Lande zu galoppieren. Wanderreiten – so wie ich es verstehe – beinhaltet eine Fülle an Know-how, aber auch Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Und wer Spaß hat am Reisen zu Pferd, muss Möglichkeiten haben, gezielt Informationen abzurufen, z. B. über spezielle Wanderreit-Ausrüstung, über geeignete Routen oder Unterkunftsmöglichkeiten. So wurde aus einer fixen Idee ein konkreter Plan und aus dem Plan ein Konzept. Und dann schlug vor 20 Jahren die Geburtsstunde der Deutschen Wanderreiter Akademie.

WRM: Was sind die Ziele der Deutschen Wanderreiter-Akademie?

Herbert Fischer: So wie der ADAC seinen Mitgliedern mit Rat und Tat rund ums Auto zur Seite steht, möchte die Deutsche Wanderreiter-Akademie die erste Adresse und Anlaufstelle für jeden Wanderreiter sein. Und die DWA verfolgt mit allen Angeboten ein klar definiertes Ziel: Es geht darum, dem einzelnen Wanderreiter ein Höchstmaß an Erlebnisqualität zu ermöglichen. Um diese Erlebnisqualität zu gewährleisten, müssen gewisse Grundbedingungen gegeben sein, gut trainierte Pferde zum Beispiel, eine angemessene Ausrüstung, eine sorgfältig geplante Route und nicht zuletzt ein verantwortungsvoller Rittführer. Das Ausbildungsziel ist der DWA-Kavalier. Der Kavalier ist ein guter Geländereiter, rücksichtsvoll gegenüber Pferd, Mensch und Natur, taktvoll und kultiviert.  Das Pferd der DWA-Kavaliere ist artgerecht gehalten, gepflegt, kooperativ und rittig. Die Ausrüstung auf dem Pferd des Kavaliers ist funktional. Die Passform des Sattels ist maßgerecht.

WRM: Was bietet die Wanderreiter-Akademie konkret an?

Herbert Fischer: Die Aktivitäten der DWA lassen sich konkret in sechs Schwerpunkten zusammenfassen. Wir

  • bilden Wanderreiter aus,
  • arbeiten an der bundesweiten Infrastruktur für das Wanderreiten,
  • testen Wanderritt-Ausrüstungen,
  • bieten Beratung bei der Planung von Wanderritten,
  • erarbeiten und organisieren Traumpfade durch Deutschland und
  • inszenieren den Windrosen-Ritt und die Trüffel-Ritte.

WRM: Du sprichst oft von der Kultur des Wanderreitens und auch im Credo der Wanderreiter-Akademie spielt die Kultur der Reise zu Pferd eine große Rolle.

Herbert Fischer: Ja, das Wanderreiten ist eine „neue“ Kultur des Reisens. Denn das Reisen – als Reise – ist schlichtweg aus der Mode gekommen. Wir machen zwar Urlaub, so oft und so viel es geht, aber meistens bedeutet es: so schnell wie möglich so weit wie möglich weg von zu Hause. Nur keine Zeit vergeuden mit einer mühsamen Anreise, mit Umwegen, die zwar reizvoll sind, aber auch Aufenthalt bedeuten; mit einer langen Bahnfahrt womöglich, denn was könnte schon aufregend daran sein, das Gesicht der sich allmählich wandelnden Landschaft zu studieren. Das Pferd jedoch ist der ideale Begleiter für eine Abenteuerreise, denn es führt uns weg, weg von Asphalt, weg von der Zivilisation und den Fesseln, die wir uns oft anlegen lassen. Das Pferd lehrt uns eine neue Harmonie – zwischen Mensch und Tier, zwischen Mensch und Natur – und letztendlich mit uns selbst. Und in diesem Sinne lautet das Credo der Deutschen Wanderreiter-Akademie: Wanderreiten – Reisen zu Pferd – ist eine erlesene Komposition aus den Erlebniselementen Natur und Landschaft, Kultur und Historie, Reiten in angenehmer Gesellschaft mit kulinarischem Genießen und einem Hauch von Abenteuer.

WRM: Welche Pläne hast Du für die Zukunft der Deutschen Wanderreiter-Akademie?

Herbert Fischer: Viele! An Ideen mangelt es uns nie! Konkret werden wir z. B. im kommenden Jahr die erste DWA-Stafette durchführen. Diese wird in 80 Tagen von der Insel Neuwerk in der Nordsee bis ins Unter-Engadin in der Schweiz führen. Das Staffelholz wird dabei von einem DWA-Wanderreitbetrieb an den nächsten weiter gereicht. Ein weiteres Highlight im neuen Jahr ist auch der Berlin-Wien-Ritt, eine Kooperation zwischen Sabine Zuckmantel (DWA) und Felix Kern aus dem österreichischen Mühlviertel. Und auch 2012 werden wir wieder die beliebten Trüffelritte, den Windrosenritt und das Ehrenburger Reiterkonvent durchführen. Neben den verschiedenen Rittangeboten arbeiten wir weiter an der Vernetzung und am Aufbau von DWA-Wanderreitbetrieben in Deutschland und ganz Europa. Die verschiedenen Themen und Aktivitäten werden wir übrigens am 11. November 2011 im Rahmen unseres großen Europa-Gipfels ausführlich präsentieren. Dazu haben wir über 40 Wanderreitbetriebe aus ganz Europa eingeladen, sich und ihre Angebote dem deutschen Wanderreiterpublikum vorzustellen. 

WRM: Herbert, wir danken Dir für dieses Gespräch!

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