„Grenzritt in Freiheit und Freundschaft“. Mit seinem treuen Pferd Flamenco hat der passionierte Wanderreiter Martin Stellberger diesen Ritt unternommen. Er begab sich auf Spurensuche entlang der ehemaligen innderdeutschen Grenze – 1.400 Kilometer, von Mittelhammer bis zur Ostsee bei Priwall.
Text und Fotos: Martin Stellberger
„Grenzritt in Freiheit und Freundschaft – 1.400 Kilometer entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze“ – was steckt dahinter? Tatsächlich habe ich diesen Ritt unternommen von Mittelhammer bis zur Ostsee bei Priwall. Diese Grenze mitten durch Deutschland zog sich zwischen 1945 und 1989 als „Zonengrenze“ oder als „antifaschistischer Schutzwall“, in jedem Fall aber als „Eiserner Vorhang“ von Süd nach Nord. Seit dem Mauerfall 1989 hat sich die Lage völlig geändert und ein Wanderritt entlang der Reste dieser Grenze gleicht einem Abenteuer, wie man es mitten in Deutschland nicht für möglich hält. 1.250 Kilometer dieser Strecke bin ich alleine geritten und habe nirgendwo eine Unterkunft eingeplant. Ich ließ mich treiben und fragte am Ende meiner Tagesetappen einfach im nächsten Dorf, ob jemand mich und meinen treuen Flamenco aufnehmen will. Das passte immer, jeden Tag! Stets ritt ich „östlich“ der ehemaligen Grenze. Mein Motiv? Ich wollte mit den Menschen ins Gespräch kommen, die die Grenze mit all ihren Hindernissen, Schrecken, Bedrückungen erlebt haben. Bei meinen Gastgebern wurden Erinnerungen wach, schreckliche Erlebnisse kamen wieder hoch, von der Zwangsumsiedlung über die Vernichtung von Dörfern und Gehöften bis hin zu Unglücken mitten im Minenfeld, von gelungenen und missglückten Fluchten, von Mord an der Grenze und Racheakten der Stasi. Das Reden, das Aufbrechen des Erlebten waren öfter schlimme Momente, in denen auch Tränen flossen wegen der Gefühle, die bei meinen Gastgebern wieder hochkamen. All das habe ich in meinem Buch aufgeschrieben.
Unterwegs auf dem Kolonnenweg
Ich habe Deutschland von einer Seite erlebt, die fern ist aller Hektik und Ellenbogengesellschaft. Vielmehr fand ich aufgeschlossene Gastgeber, die mich gerne aufnahmen, weil ich mich als Wanderreiter auf meine Weise für ihr Schicksal an und mit der Grenze interessierte. Es spielte dabei keine Rolle, dass die Wende schon mehr als 20 Jahre zurücklag. Das Unrechtsregime, die Verachtung der Ulbrichts, der Honeckers und der Mielkes ihren Bürgern gegenüber, die Vernichtung von Lebensträumen hinterließen Spuren, für manchen gar Traumata, die nur verschüttet sind, nie richtig aufgearbeitet werden konnten. Aber die Menschen haben ihr Leben nach der Wende wieder selbst in die Hand genommen, auch wenn die Umstellung groß und schwierig war. Meine Erkenntnis: Die DDR will keiner mehr zurück haben. Auch davon berichte ich in meinem Buch.
Von Mittelhammer bis Priwall
Meine Etappen führten mich von Mittelhammer bis Döhlau, von dort bis Schweickershausen, danach war Vacha an der Weser mit der „Brücke der Deutschen Einheit“ mein Ziel. Von dort ritt ich bis an die südliche Rhön bei Ecklingerode. In Ecklingerode knüpfte ich dann nach meiner Pensionierung als Realschullehrer wieder an und nahm die letzten rund 800 Kilometer bis nach Priwall unter die Hufe. Fünf Wochen dauerte diese letzte Etappe. Ich war unterwegs und wie stets auf mich alleine gestellt. Mein braver Flamenco war inzwischen 22 Jahre alt und machte tapfer mit. Die Rhön ist ein eigenartiges, eigenwilliges Gebirge im Herzen Deutschlands, abwechslungsreich, schön, wild, vor allem, wenn das Wetter nicht mitspielt. Unterwegs kam ich mit der Heinz-Sielmann-Stiftung in Kontakt, machte einen Abstecher zum Gut Herbigshagen bei Duderstadt und lernte diese Organisation genauer kennen, die sich neben dem Natur- und Artenschutz auch der Erhaltung des Grenzweges widmet. Der „Kolonnenweg“ nämlich, auf dem die DDR-Grenzer ihre Patrouillen fuhren, soll im „Grünen Band“ erhalten bleiben, nicht zuletzt auch als Gedenk- und Mahnweg, als Warnung auch vor Diktaturen und ihren schrecklichen Begleiterscheinungen. Bilder in meinem Buch zeigen diesen Kolonnenweg, wie er sich heute präsentiert.
Am Grenzmuseum Hötensleben
Von Höllenmaschinen, Widerstand und Opfern
Täglich hing ich auf meinem Ritt meinen Gedanken und
Eindrücken nach. Zum Beispiel der Sonnenstein bei Ecklingerode: Dort
gibt es ein Gasthaus, dessen Vorbesitzerin mir ihre Zwangsumsiedlung
während der „Aktion Ungeziefer“ nach Mecklenburg erzählt hat, von den
Fluchtvorbereitungen und den Mühen nach der Wende, ihr Eigentum wieder
zurück zu bekommen. Welche Lebensleistung hinter solchen Schicksalen
stecken, wird erst durch die Gespräche deutlich. Mein Gastgeber aus
Geisa war als 15-jähriger mit fünf Mitschülern durchs Minenfeld nach
Fulda geflohen – unverletzt. Ein anderes Schicksal erzählte mir ein
Augenzeuge aus Brochthausen: Eine junge Familie geriet bei der Flucht
ins Minenfeld…
Immer wieder stieß ich auf meinem Grenzritt auf Mahnmale und Gedenkstätten, die von tragischen Ereignissen erzählten: Michael Gartenschläger wurde bekannt, weil er Selbstschussanlagen abbaute und der westlichen Presse zeigte. Bei einem weiteren Versuch, eine solche Höllenmaschine abzubauen, wurde ihm von Grenztruppen aufgelauert. 120 Schüsse, so steht es auf dem Gedenkstein, haben dem Leben des DDR-Gegners ein Ende bereitet. An anderer Stelle erfahre ich vom Fluchtversuch eines jungen Grenzers, der unter den Treffern einer Selbstschussanlage verblutete. Mit jedem Fluchtversuch – und das ist die Kehrseite der Medaille – wurden die Sicherungsmaßnahmen noch schärfer, noch wirksamer, noch risikoreicher für die Flüchtlinge. Davon berichten auch zahlreiche Grenzmuseen und Gedenkstätten, meist ehrenamtlich geführt von engagierten Bürgern. Es lohnt sich, in Mödlareuth, in Schifflersgrund, Point Alpha, Marienborn oder Schnackenburg einen Besuch zu machen, um nur einige zu nennen.
Grenzverlauf bei der Gedenkstätte Schifflersgrund bei Bad Sooden-Allendorf
Der Harz ist ein geheimnisvolles Gebirge
Auf meinem Weg nach Norden durchstreifte ich auch den Harz. Der ist in Grenznähe wenig besiedelt, so dass ich kein Quartier ansteuern konnte. Doch mit Hilfe meiner Gastgeber konnte ich meinen Harz-Ritt doch verwirklichen. Spontane Ideen fanden Beifall und Unterstützung. Den berühmten Brocken allerdings, den höchsten Berg im Harz, ließ ich wegen meines Pferdes aus. Den bestieg ich bei anderer Gelegenheit und dieser Tag bestätigte mir dann auch, dass es richtig war, auf den Ritt auf den Brocken zu verzichten. Er wäre nur zu Lasten meines Pferdes gegangen.
Gut zu essen gehört zu einer Reise
Bald kam ich dann in die flache Landschaft von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Elbe war das große Zwischenziel. Unterwegs genoss ich drei Ruhetage im Pferde- und Freizeitparadies in Ziemendorf, das als Hotel in einer ehemaligen Grenzkaserne entstanden ist. Für Reiter, Kutscher und Pferdefreunde ist das eine tolle Adresse am Arendsee, der sogar eine offizielle Pferdeschwemme beheimatet. Das Hotel selbst ist auch bekannt durch sein „Treppenhaus der Menschenrechte“ und eine Dauerausstellung zum Thema DDR-Grenze. Auf meinem Weg konnte ich sogar die eine oder andere Wanderreitstation nutzen, zum Beispiel die von „Kutscher Ulli“ im Wendland. Denn ich habe die Elbe nicht bei Schnackenburg überquert, sondern hielt mich mangels Quartierchancen für einen Tag links der Elbe und kam so nach Restorf. Da musste ich dann auch wirklich staunen: Für mich und drei andere Wanderreiter, die zufällig des Weges kamen, war der Tisch nicht nur festlich, sondern fürstlich gedeckt. Man weiß dort gut zu speisen…
Künstler schufen eigenwillige „Mahnmale“ wie hier am ehemaligen Grenzübergang Henneberg in der Rhön.
Die Menschen waren wegen meiner Motive angetan
Über die Fähre bei Lenzen erreichte ich wieder „DDR-Territorium“ und hielt auf Boizenburg zu, nicht ohne unterwegs mehrfach zu übernachten. Ich lernte immer wieder neue Menschen kennen mit ihren ureigenen Erlebnissen an und mit der Grenze. Sie alle waren mir zugetan und öffneten Herzen und Türen. Der Schalsee mit Zarrentin war ein weiteres großes Zwischenziel. Auf dem Weg dorthin fand ich bei Pferdeleuten herzliche Aufnahme und erfuhr deren Lebensgeschichte. Und eines Tages roch ich die Ostsee! Der Nordwind trieb mir die Meeresluft entgegen, als ich den Ratzeburger See verließ und mich Dassow näherte. Jetzt war es nicht mehr weit bis zu meinem Ziel: Ich wollte ja mit meinem Pferd dort in die Ostsee reiten, wo die Grenze zu Ende war. Dann stand ich eines Tages tatsächlich direkt im Wasser der Ostsee! Meine Reise war zu Ende! Ein seltsames Gefühl hatte mich schon am Morgen des letzten Tages überkommen. Fünf Wochen war ich alleine unterwegs und jetzt? Das Gefühl, am Ziel zu sein, machte mich nicht sofort glücklich. Gerne wäre ich weiter geritten, einfach so. Zu sehr hatte ich mich an das Unterwegssein gewöhnt.
Grenztürme ohne Zahl überragten einst wie hier bei Billmuthausen das Grenzland.
Das Zusammenwachsen fördern
Und nun? Ich habe meine Erlebnisse von insgesamt dreizehn Wochen „Grenzritt in Freiheit und Freundschaft“ aufgeschrieben. Aus dem Tagebuch und zahlreichen Begegnungen und Presseartikeln, die über meine Reise entstanden sind, sogar einen Fernsehbericht des NDR gab es, habe ich ein Buch geschrieben. Es soll dazu beitragen, das Zusammenwachsen Deutschlands auch dann noch zu fördern, wenn wir in diesem Jahr 2014 den 25. Jahrestag des Mauerfalls feiern. Mein Dank für ein gelungenes, tiefgehendes Abenteuer gilt in erster Linie all jenen Menschen, die mich auf meiner Reise aufgenommen haben, die mir ihr Leben erzählten und mich unterstützten. Dank gebührt meiner Frau, die mich unterwegs sein ließ, und nicht zuletzt meinem treuen Flamenco, der mich seit 19 Jahren auf meinen ausgedehnten Wanderritten begleitet.
Grenzritt in Freiheit und Freundschaft – 1.400 km entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
Martin Stellberger ISBN 978-3-95632-122-1 Wiesenburg 2014, 280 Seiten
„Grenzritt in Freiheit und Freundschaft“. Mit seinem treuen Pferd Flamenco hat der passionierte Wanderreiter Martin Stellberger diesen Ritt unternommen. Er begab sich auf Spurensuche entlang der ehemaligen innderdeutschen Grenze – 1.400 Kilometer, von Mittelhammer bis zur Ostsee bei Priwall.
Text und Fotos: Martin Stellberger
„Grenzritt in Freiheit und Freundschaft – 1.400 Kilometer entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze“ – was steckt dahinter? Tatsächlich habe ich diesen Ritt unternommen von Mittelhammer bis zur Ostsee bei Priwall. Diese Grenze mitten durch Deutschland zog sich zwischen 1945 und 1989 als „Zonengrenze“ oder als „antifaschistischer Schutzwall“, in jedem Fall aber als „Eiserner Vorhang“ von Süd nach Nord. Seit dem Mauerfall 1989 hat sich die Lage völlig geändert und ein Wanderritt entlang der Reste dieser Grenze gleicht einem Abenteuer, wie man es mitten in Deutschland nicht für möglich hält. 1.250 Kilometer dieser Strecke bin ich alleine geritten und habe nirgendwo eine Unterkunft eingeplant. Ich ließ mich treiben und fragte am Ende meiner Tagesetappen einfach im nächsten Dorf, ob jemand mich und meinen treuen Flamenco aufnehmen will. Das passte immer, jeden Tag! Stets ritt ich „östlich“ der ehemaligen Grenze. Mein Motiv? Ich wollte mit den Menschen ins Gespräch kommen, die die Grenze mit all ihren Hindernissen, Schrecken, Bedrückungen erlebt haben. Bei meinen Gastgebern wurden Erinnerungen wach, schreckliche Erlebnisse kamen wieder hoch, von der Zwangsumsiedlung über die Vernichtung von Dörfern und Gehöften bis hin zu Unglücken mitten im Minenfeld, von gelungenen und missglückten Fluchten, von Mord an der Grenze und Racheakten der Stasi. Das Reden, das Aufbrechen des Erlebten waren öfter schlimme Momente, in denen auch Tränen flossen wegen der Gefühle, die bei meinen Gastgebern wieder hochkamen. All das habe ich in meinem Buch aufgeschrieben.
Ich habe Deutschland von einer Seite erlebt, die fern ist aller Hektik und Ellenbogengesellschaft. Vielmehr fand ich aufgeschlossene Gastgeber, die mich gerne aufnahmen, weil ich mich als Wanderreiter auf meine Weise für ihr Schicksal an und mit der Grenze interessierte. Es spielte dabei keine Rolle, dass die Wende schon mehr als 20 Jahre zurücklag. Das Unrechtsregime, die Verachtung der Ulbrichts, der Honeckers und der Mielkes ihren Bürgern gegenüber, die Vernichtung von Lebensträumen hinterließen Spuren, für manchen gar Traumata, die nur verschüttet sind, nie richtig aufgearbeitet werden konnten. Aber die Menschen haben ihr Leben nach der Wende wieder selbst in die Hand genommen, auch wenn die Umstellung groß und schwierig war. Meine Erkenntnis: Die DDR will keiner mehr zurück haben. Auch davon berichte ich in meinem Buch.
Von Mittelhammer bis Priwall
Meine Etappen führten mich von Mittelhammer bis Döhlau, von dort bis Schweickershausen, danach war Vacha an der Weser mit der „Brücke der Deutschen Einheit“ mein Ziel. Von dort ritt ich bis an die südliche Rhön bei Ecklingerode. In Ecklingerode knüpfte ich dann nach meiner Pensionierung als Realschullehrer wieder an und nahm die letzten rund 800 Kilometer bis nach Priwall unter die Hufe. Fünf Wochen dauerte diese letzte Etappe. Ich war unterwegs und wie stets auf mich alleine gestellt. Mein braver Flamenco war inzwischen 22 Jahre alt und machte tapfer mit. Die Rhön ist ein eigenartiges, eigenwilliges Gebirge im Herzen Deutschlands, abwechslungsreich, schön, wild, vor allem, wenn das Wetter nicht mitspielt. Unterwegs kam ich mit der Heinz-Sielmann-Stiftung in Kontakt, machte einen Abstecher zum Gut Herbigshagen bei Duderstadt und lernte diese Organisation genauer kennen, die sich neben dem Natur- und Artenschutz auch der Erhaltung des Grenzweges widmet. Der „Kolonnenweg“ nämlich, auf dem die DDR-Grenzer ihre Patrouillen fuhren, soll im „Grünen Band“ erhalten bleiben, nicht zuletzt auch als Gedenk- und Mahnweg, als Warnung auch vor Diktaturen und ihren schrecklichen Begleiterscheinungen. Bilder in meinem Buch zeigen diesen Kolonnenweg, wie er sich heute präsentiert.
Von Höllenmaschinen, Widerstand und Opfern
Täglich hing ich auf meinem Ritt meinen Gedanken und Eindrücken nach. Zum Beispiel der Sonnenstein bei Ecklingerode: Dort gibt es ein Gasthaus, dessen Vorbesitzerin mir ihre Zwangsumsiedlung während der „Aktion Ungeziefer“ nach Mecklenburg erzählt hat, von den Fluchtvorbereitungen und den Mühen nach der Wende, ihr Eigentum wieder zurück zu bekommen. Welche Lebensleistung hinter solchen Schicksalen stecken, wird erst durch die Gespräche deutlich. Mein Gastgeber aus Geisa war als 15-jähriger mit fünf Mitschülern durchs Minenfeld nach Fulda geflohen – unverletzt. Ein anderes Schicksal erzählte mir ein Augenzeuge aus Brochthausen: Eine junge Familie geriet bei der Flucht ins Minenfeld…
Immer wieder stieß ich auf meinem Grenzritt auf Mahnmale und Gedenkstätten, die von tragischen Ereignissen erzählten: Michael Gartenschläger wurde bekannt, weil er Selbstschussanlagen abbaute und der westlichen Presse zeigte. Bei einem weiteren Versuch, eine solche Höllenmaschine abzubauen, wurde ihm von Grenztruppen aufgelauert. 120 Schüsse, so steht es auf dem Gedenkstein, haben dem Leben des DDR-Gegners ein Ende bereitet. An anderer Stelle erfahre ich vom Fluchtversuch eines jungen Grenzers, der unter den Treffern einer Selbstschussanlage verblutete. Mit jedem Fluchtversuch – und das ist die Kehrseite der Medaille – wurden die Sicherungsmaßnahmen noch schärfer, noch wirksamer, noch risikoreicher für die Flüchtlinge. Davon berichten auch zahlreiche Grenzmuseen und Gedenkstätten, meist ehrenamtlich geführt von engagierten Bürgern. Es lohnt sich, in Mödlareuth, in Schifflersgrund, Point Alpha, Marienborn oder Schnackenburg einen Besuch zu machen, um nur einige zu nennen.
Der Harz ist ein geheimnisvolles Gebirge
Auf meinem Weg nach Norden durchstreifte ich auch den Harz. Der ist in Grenznähe wenig besiedelt, so dass ich kein Quartier ansteuern konnte. Doch mit Hilfe meiner Gastgeber konnte ich meinen Harz-Ritt doch verwirklichen. Spontane Ideen fanden Beifall und Unterstützung. Den berühmten Brocken allerdings, den höchsten Berg im Harz, ließ ich wegen meines Pferdes aus. Den bestieg ich bei anderer Gelegenheit und dieser Tag bestätigte mir dann auch, dass es richtig war, auf den Ritt auf den Brocken zu verzichten. Er wäre nur zu Lasten meines Pferdes gegangen.
Gut zu essen gehört zu einer Reise
Bald kam ich dann in die flache Landschaft von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Elbe war das große Zwischenziel. Unterwegs genoss ich drei Ruhetage im Pferde- und Freizeitparadies in Ziemendorf, das als Hotel in einer ehemaligen Grenzkaserne entstanden ist. Für Reiter, Kutscher und Pferdefreunde ist das eine tolle Adresse am Arendsee, der sogar eine offizielle Pferdeschwemme beheimatet. Das Hotel selbst ist auch bekannt durch sein „Treppenhaus der Menschenrechte“ und eine Dauerausstellung zum Thema DDR-Grenze. Auf meinem Weg konnte ich sogar die eine oder andere Wanderreitstation nutzen, zum Beispiel die von „Kutscher Ulli“ im Wendland. Denn ich habe die Elbe nicht bei Schnackenburg überquert, sondern hielt mich mangels Quartierchancen für einen Tag links der Elbe und kam so nach Restorf. Da musste ich dann auch wirklich staunen: Für mich und drei andere Wanderreiter, die zufällig des Weges kamen, war der Tisch nicht nur festlich, sondern fürstlich gedeckt. Man weiß dort gut zu speisen…
Die Menschen waren wegen meiner Motive angetan
Über die Fähre bei Lenzen erreichte ich wieder „DDR-Territorium“ und hielt auf Boizenburg zu, nicht ohne unterwegs mehrfach zu übernachten. Ich lernte immer wieder neue Menschen kennen mit ihren ureigenen Erlebnissen an und mit der Grenze. Sie alle waren mir zugetan und öffneten Herzen und Türen. Der Schalsee mit Zarrentin war ein weiteres großes Zwischenziel. Auf dem Weg dorthin fand ich bei Pferdeleuten herzliche Aufnahme und erfuhr deren Lebensgeschichte. Und eines Tages roch ich die Ostsee! Der Nordwind trieb mir die Meeresluft entgegen, als ich den Ratzeburger See verließ und mich Dassow näherte. Jetzt war es nicht mehr weit bis zu meinem Ziel: Ich wollte ja mit meinem Pferd dort in die Ostsee reiten, wo die Grenze zu Ende war. Dann stand ich eines Tages tatsächlich direkt im Wasser der Ostsee! Meine Reise war zu Ende! Ein seltsames Gefühl hatte mich schon am Morgen des letzten Tages überkommen. Fünf Wochen war ich alleine unterwegs und jetzt? Das Gefühl, am Ziel zu sein, machte mich nicht sofort glücklich. Gerne wäre ich weiter geritten, einfach so. Zu sehr hatte ich mich an das Unterwegssein gewöhnt.
Das Zusammenwachsen fördern
Und nun? Ich habe meine Erlebnisse von insgesamt dreizehn Wochen „Grenzritt in Freiheit und Freundschaft“ aufgeschrieben. Aus dem Tagebuch und zahlreichen Begegnungen und Presseartikeln, die über meine Reise entstanden sind, sogar einen Fernsehbericht des NDR gab es, habe ich ein Buch geschrieben. Es soll dazu beitragen, das Zusammenwachsen Deutschlands auch dann noch zu fördern, wenn wir in diesem Jahr 2014 den 25. Jahrestag des Mauerfalls feiern. Mein Dank für ein gelungenes, tiefgehendes Abenteuer gilt in erster Linie all jenen Menschen, die mich auf meiner Reise aufgenommen haben, die mir ihr Leben erzählten und mich unterstützten. Dank gebührt meiner Frau, die mich unterwegs sein ließ, und nicht zuletzt meinem treuen Flamenco, der mich seit 19 Jahren auf meinen ausgedehnten Wanderritten begleitet.
Grenzritt in Freiheit und Freundschaft – 1.400 km entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
Martin Stellberger
ISBN 978-3-95632-122-1
Wiesenburg 2014, 280 Seiten
19,90 Euro